Erst „Schulbank“, dann „Praktikum“

Winterschnitt wieder in Theorie und Praxis

Auch dieses Mal stellten wir bei unseren Tipps zum richtigen Winterschnitt den praktischen Ausführungen wieder einen ausführlichen Theorieteil voran. In diesem referierte und diskutierte am 20. Februar unser ausgebildeter Fachwart für Obst- und Gartenbau, Wilhelm Gunkel, mit 22 begeisterten Gästen im alten Roßwälder Rathaus, wie die bestmögliche Wirkung auf das Wachstum und den Fruchtertrag unserer Streuobstbäume erzielt werden kann.

„Den einzig richtigen Baumschnitt gibt es nicht“, war Wilhelm`s einleitende, plakative Aussage in den Theorieabend. Denn es gibt viele Schnittweisen, die zum Erfolg führen. „Nur Mut“, so unser Fachmann, „mit der Zeit entwickelt jede und jeder von Ihnen ein eigenes Gefühl für Baum und Schnitt.“ Hauptsache, es wird regelmäßig, in Maßen und mit sauberem und scharfem Werkzeug geschnitten. Dann produziert der Obstbaum -egal welcher- sehr lange neues Holz und gutes Obst.

Auch wenn bei allen Schnittmustern die Reaktionen und Wachstumsgesetze gleich bleiben, hat sich dazu in unserer Region der aus der Schweiz kommende Öschbergschnitt am meisten etabliert. Doch wenn ein alter Baum nach einem anderen Schnittstil erzogen und erhalten wurde, ist das überhaupt kein Problem: Dann einfach so wie bisher weiter schneiden.

Jede Lebensphase hat eigene Regeln

Und im (hoffentlich) langen Baumleben hat jede Phase davon ihre eigenen Schnittregeln: In den ersten zehn Lebensjahren werden Mitte, Leitäste und begleitende Fruchtäste festgelegt und entsprechend zu diesen Funktionen erzogen. Denn sie bilden das Baumgerüst und müssen erhalten bleiben. Dazu werden sie in den ersten Jahren jährlich sehr kräftig angeschnitten. Später dann richtet sich das Hauptaugenmerk mehr auf die Förderung des Holzwachstums.

Ganz egal, ob Pflanz-, Erziehungs-, Erhaltungs- oder andere Schnittvarianten, immer wird dadurch eine Reaktion des Baumes provoziert. Die Kunst ist es deshalb, gerade mal so viel zu schneiden, dass der Baum vital bleibt, dabei junges Holz produziert und trotzdem einen hohen Ertrag abwirft. Ein zu starker Rückschnitt fördert das Wachstum, hemmt aber gleichzeitig den Obstertrag. Und senkrechte Triebe wachsen zwar in die Höhe, aber nur die waagrechten Zweige treiben.

So kompetent und ausführlich wie zum beschriebenen Thema gab Wilhelm Gunkel auch Auskunft zu den Wachstumsgesetzen an sich, zum Pflanzenschutz und zur sinnvollen Düngung. Egal, was angesprochen wurde, nichts davon blieb unbeantwortet. Danke Wilhelm für diesen tollen, informativen Abend.

Von der Theorie zur Praxis

Danke auch an Helmut Fuchs, der dann am Samstagvormittag die Theorie in die Praxis umsetzte. Rund 45 Interessierte, davon viele Auswärtige und solche, die schon beim Theorieabend dabei waren, ließen sich von ihm jetzt an den Jubiläumsbäumen gegenüber der Blütenhütte konkret zeigen, was Wilhelm Gunkel zwei Tage zuvor in der Theorie empfahl. Und in allem stimmte er ihm zu, bestätigte und ergänzte: Eine, nicht dominante, sondern eher spindelmäßige Mitte, drei, besser vier Leitäste („ein Haus hat ja auch vier Ecken“) und je drei begleitende Fruchtäste, möglichst alle steil nach oben gerichtet, bilden das Gerüst für die Entwicklung eines gesunden und ertragreichen Obstbaumes. Die Botschaft von Helmut Fuchs: „Ein Obstbaum verträgt und verzeiht vieles, also nur Mut beim Schnitt!“ Nicht verzeihen wird so ein Obstbaum aber Schlitzwunden. Deshalb bei langen Ästen erstmal auf einen Stummel schneiden und diesen anschließend dann vorsichtig direkt am Ast entfernen. Und zur Geschichte, dass nach dem Auslichten ein Hut ungestreift durch den Baum fliegen soll, meinte er kurz und lapidar: „Manche schmeißen halt einen Luis Trenker-Hut manche eher einen Fingerhut…“.

Um den Wuchs aber nicht in das Bauminnere zu fördern, sollen die inneren Augen möglichst ausgekratzt werden. Besonders die Südseite eines Baumes sollte so geschnitten werden, dass vorhandenes Laub vor Sonnenbrand schützen kann. Eine Maßnahme, die angesichts des Klimawandels immer wichtiger wird.

Letztendlich gab er den vielen Interessierten noch mit auf den Weg, dass ein Obstbaum von der Form her in etwa so hoch wie breit sein sollte und der Abstand von stamm zu Stamm schon zehn bis zwölf Meter sein sollte. Wie Wilhelm Gunkel empfahl auch er um den Stamm herum eine Baumscheibe mit rd. Einem Meter Durchmesser.

Zusammengefasst konnten wir in zwei tollen Veranstaltungen mit zwei äußerst kompetenten Referenten sehr viel zum richtigen Winterschnitt vermitteln. Es macht uns sehr stolz, dass Leute aus dem ganzen Landkreis unser Angebot auf- und annehmen. Wir sind ein gut aufgestellter und anerkannter OGV mit toller Außenwirkung!

www.ogv-rosswaelden.de – da gibt`s auch die Beitrittserklärung zum Ausdrucken J